Pressemitteilung der Ökologischen Schutzstation Steinhuder Meer e. V.
Eine der seltensten Tierarten in Europa lebt am niedersächsischen Steinhuder Meer und so viel ist seit einigen Tagen sicher - pflanzt sich dort auch erfolgreich fort: der Europäische Nerz. Die Sensation im Artenschutz ist damit perfekt.
Im Jahr 2010 startete ein lange vorbereitetes Wiederansiedlungsprojekt, um den Europäischen Nerz am Steinhuder Meer wieder heimisch zu machen. Die kleine, etwa Eichhörnchen große Marderart starb 1925 in Deutschland aus, Gründe dafür waren vor allem die Vernichtung der Lebensräume der an Sumpf- und Gewässerbiotope angepassten Art und die direkte Verfolgung als Pelztier. Mit finanzieller Unterstützung des Landesumweltministeriums beauftragte die Region Hannover als Projektträger die Ökologische Schutzstation Steinhuder Meer (ÖSSM e. V.) mit der Wiederansiedlung der lange verschwundenen Art an Niedersachsens größten See, denn hier entstanden nach Aufgabe der Nutzung in seeufernahen Flächen und durch zahlreiche Naturschutzmaßnahmen wieder ideale Lebensbedingungen für den Sumpfbewohner. Die angesiedelten, vom Verein EuroNerz stammenden und z.T. in der Wildtierstation Sachsenhagen (WASS) aufgezogenen Nerze fühlen sich wohl, das belegen zahlreiche Beobachtungen, die vor allem mit Hilfe kleiner Sender gelangen, mit denen ein Teil der Nerze markiert ist.
Aber das i-Tüpfelchen fehlte noch, so Projektkoordinatorin Eva Lüers und meint damit ein Foto, dass eine Reproduktion der in freier Wildbahn schwer zu beobachtende Nerze belegt. Dieses Foto gelang nun, genauer gesagt, es gelangen gleich mehrere. Die Bilder zeigen eine Nerzfähe, die nach und nach mindestens drei noch unselbständige Jungtiere im Maul zu einem neuen Versteck transportiert. Die Wurfhöhle kannten wir schon, mieden das Gebiet jedoch großräumig, um das Nerzweibchen nicht zu stören, so die Landschaftsökologin, Aber wir konnten davon ausgehen, dass die Jungtiere kurz über lang in ein anderes Versteck umgebettet werden, wie es für Nerze typisch ist. Die Chance nutzte die Wissenschaftlerin und stellte an verschiedenen Stellen Fotofallen auf mit dem genannten Erfolg. Bei den Fotos handelt es sich um die ersten aus Deutschland überhaupt, die in Freiland gezeugte und geborene Nerze zeigen.
Foto: ÖSSM
Der Europäische Nerz steht weltweit kurz vor dem Aussterben. Von dem einst riesigen Verbreitungsgebiet zwischen Ural und Pyrenäen sind nur noch Bruchstücke übrig geblieben. Und auch hier sind die Tiere gefährdet. Die Weltnaturschutzorganisation IUCN stuft die Tierart deswegen als weltweit vom Aussterben bedroht ein und damit in dieselbe Kategorie wie das Spitzmaulnashorn und der Westliche Gorilla.
Für diese Tierart ist es kurz vor Zwölf, und deswegen ist es von größter Bedeutung, die Tierart in ihren heutigen Lebensräumen zu erhalten und ihnen anderswo neue Chancen zu geben, wo Lebensräume wieder entstanden sind, so Thomas Brandt, wissenschaftlicher Leiter der ÖSSM. Ob das Projekt am Steinhuder Meer ein Erfolg sein wird, sei derzeit noch nicht absehbar, die Chancen ständen aber gut, so der Biologe: Dazu braucht man einen langen Atem, ausrotten geht oft schneller.
Näheres zum Projekt im Folgenden.
Nerz am Steinhuder Meer
Im Sommer 2010 startete der Verein mit der Ökologischen Schutzstation Steinhuder Meer (ÖSSM) ein Wiederansiedlungsprojekt für Europäische Nerze am Steinhuder Meer. Wie auch im Saarland soll über einen längeren Zeitraum die Entwicklung verfolgt werden. Für das Steinhuder Meer sind zunächst fünf Jahre angedacht.
Nachweise der Nerze sollen über besenderte Tiere und Fotofallen erfolgen.
Die wissenschaftlichen Begleituntersuchungen laufen im Rahmen einer Masterarbeit.
Projektträgerschaft:
Region Hannover
Unterstützung:
Nds. Ministerium für Umwelt und Klimaschutz
Durchführung:
Ökologische Schutzstation Steinhuder Meer (ÖSSM) e. V.
Kooperation:
Wildtier- und Auffangstation Sachsenhagen (WASS) e. V.
EuroNerz e. V.
Thomas Brandt, wiss. Leiter ÖSSM e. V.
Eva Lüers, Universität Oldenburg
Die ersten sieben Nerze, sechs davon mit Sender, kamen im Mai und Juni 2010 am Steinhuder Meer an. Nach einer Eingewöhnungsphase im Freilandgehege wurden die ersten zwei Paare Anfang Mai in die Freiheit entlassen.
Die beiden zu dem Zeitpunkt bereits tragenden Fähen warfen ihre Jungen kurze Zeit später im geöffneten Gehege bzw. in etwa 500 m Entfernung. Sehr unterschiedlich verhielten sich die Rüden, die auch die Väter der Jungtiere sind. Während ein Rüde abwanderte und leider rund zwei Wochen später überfahren wurde, hielt der Kontakt des anderen Paares zueinander bis zur Geburt der Jungtiere. Gleich darauf verabschiedete sich das Männchen Anton und wanderte mehrere Kilometer am Ufer des Steinhuder Meeres entlang bis auf die andere Seeseite. Dort lebte er kurze Zeit im Röhricht eines Naturschutzgebietes bis sich die Spur verlor, entweder weil der Sender ausfiel oder der Rüde weiter abwanderte.
Das nächste Paar und ein einzelner Rüde wurden dann Ende Mai in die Freiheit entlassen. Der verpaarte Rüde war wiederum mit einem Sender versehen. Allerdings konnte das Tier nur noch wenige Tage im Gebiet geor-tet werden. Sein nicht sendermarkiertes Weibchen hatte, wie später an der Zitzenausbildung zu sehen war, zunächst wie erhofft Jungtiere geworfen. Es scheint seinen Wurf jedoch kurz nach der Geburt verloren zu haben: Die Fähe begann kurz nach dem Wurftermin die Umgebung zu erkunden was ein eher ungewöhnliches Verhalten wäre, wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch Welpen gehabt hätte. Nachdem sie mehrfach in Gärten beobachtet und schließlich von Privatleuten eingefangen wurde, entschlossen wir uns, dieses Tier aus dem Projekt und wieder in Haltung zu nehmen.
Ende Juni wurde Nerz Erwin medienwirksam unter großer Anteilnahme von Presse, Radio und Fernsehen von Umweltstaatsekretär Dr. Birkner und Prof. Dr. Priebs von der Region Hannover in ein Eingewöhnungsgehege gebracht. Eine Woche später wurde Erwin etwa 1 km entfernt von seinem Gehege in die Freiheit entlassen und siedelte sich nach einer etwa einwö-chigen Orientierungsphase in der Nähe seines (offensichtlich nie wieder genutzten) Geheges an in enger Nachbarschaft zur Fähe Betti und ihrem Nachwuchs.
Lebensräume am Steinhuder Meer - nicht nur für Nerze
Ansiedlungsgehege
Im September kamen in einem zweiten Ansied-
lungsschub noch einmal vier, in 2010 geborene und nun ausgewach-
sene Jung-
rüden in die noch im Gelände bereitgestellten Eingewöhnungsgehege.
Es handelte sich dabei um jeweils 2 Brüder aus zwei verschiedenen Würfen. Wiederum wurden die Tiere nach einer etwa zehntägigen Eingewöhnungszeit freigelassen.
Spannend war es danach zu erleben, wie die vier Neuen das Terrain für sich eroberten:
Die beiden Brüder Fritz und Gerd, die zusammen ein Gehege bezogen hatten, lösten ihre Familienbande bald nach der Gehegeöffnung auf und siedelten sich an räumlich getrennten Standorten am Nord- und Westufer des Steinhuder Meeres an.
Den Brüdern Hans und Ingo stand jeweils ein eigenes Gehege zur Verfügung. Hans etablierte sich nach Gehegeöffnung und einer längeren Orientierungsphase in einem Erlenbruchwald, der an ein Seitengewässer des Steinhuder Meeres grenzt.
Ingo wurde als letzter freigesetzt und als einziger nicht direkt aus dem Gehege mit Rückkehrmöglichkeit (soft release) entlassen sondern etwa zwei Kilometer südlich in der Nähe des Seeufers (hard release) aus einer transportablen Holzbox. Er siedelte sich bereits nach einer vergleichsweise kurzen Orientierungsphase etwa 800 Meter nördlich der Freilassungsstelle am Meerbach am Westufer des Steinhuder Meeres an.
Alle vier Jungrüden zeigten ab etwa Mitte Oktober bis zum Jahresende eine Bindung an offensichtlich feste Reviere. Besonders interessant liegt das Revier von Gerd, das sich über etwa zwei Kilometer Uferlinie am Nordufer des Steinhuder Meeres erstreckt. Hier nutzt er offensichtlich die naturnahen Uferstrukturen, die sich zwischen Steganlagen, Badestrand und Siedlungen entwickelt haben.
Was aber ist mit den sieben Nerzen aus der ersten Aussetzungsphase geschehen?
Von Carlo, ohne Sender entlassen, liegen erwartungsgemäß keine Beobachtungen vor. Die anderen sechs Nerze konnten jedoch über unterschiedlich lange Zeiträume beobachtet werden. Die beiden Fähen Betti und Annabel warfen beide Jungtiere, über deren Verbleib wir bis heute keine Ergebnisse haben. Annabel wurde im Sommer Opfer eines unbekannten Beutegreifers, ebenso Erwin, der als letzter der sieben adulten Nerze freigelassen wurde und sich in der Nähe von Betti angesiedelt hatte. Betti bewegt sich immer noch im Mündungsdelta des Meerbaches am Westufer des Steinhuder Meeres, ihr Aktionsraum scheint sich nun teilweise mit dem von Ingo zu überlagern. Der Partner von Betti, Bodo, wanderte nach seiner Freisetzung zeitig aus dem Gebiet ab und wurde an einer Hauptstraße überfahren. Von Anton und Dirk fehlen neuere Beobachtungen, wobei ein Ausfall der Sender durchaus denkbar ist.
künstlicher Unterschlupf für strukturärmere Bereiche
Durch die lange Standzeit der Eingewöhnungsgehege im Untersuchungsgebiet sind diese bereits stark mit Pflanzen bewachsen und bieten ausgeprägte Deckungs- und Versteckmöglichkeiten.
Zudem wurde in einem Gehege probeweise ein aus nicht harzenden Zaunpfählen gebauter Unterschlupf aufgestellt, die in gleicher Bau-weise im Verlauf des letzten Jahres in den wenigen, nicht so strukturreichen Bereichen zur Verbesserung der Unterschlupfmöglichkeiten angelegt wurden. Die telemetrischen Untersu-chungen zuvor ergaben, dass mindestens zwei der Rüden häufig unter gelagerten Holz- und Bretterstapeln, z. B. den abgebauten Steganlagen am Seeufer, anzutreffen waren.
Lottas Nachwuchs
Anfang Juni wurden zusammen mit Christian Seebass und Dr. Claudia Bodenstein von EuroNerz e.V. erneut zwei verpaarte Fähen Lotta und Martha - in die Eingewöhnungsgehege gesetzt. Die beiden einjährigen, tragenden Fähen sollten in diesem Jahr, anders als in 2010, noch im geschlossenen Gehege ihre Jungtiere gebären, um den Gesundheitszustand der Jungtiere sowie die Anzahl und das Geschlechterverhältnis besser in die Ansiedlungsplanung mit einbeziehen zu können. Zudem soll in diesem Jahr, ähnlich der Untersuchung im Saarland, das Verhalten der Jungtiere bei Wiederansiedlung (hier am Steinhuder Meer in einem flächig nutzbaren Habitat) verfolgt werden.
Und ganz aktuell ist ein freudiges Ereignis zu verzeichnen:
Bei einer ersten Kontrolle der Wurfboxen im Gehege von Lotta gemeinsam mit Mitarbeitern des WASS e.V. fanden wir fünf gesunde, etwa 3 Wochen alte Jungnerze vor! Die zwei Jungrüden und drei Jungfähen wogen bis zu 130 g. Auch Martha hat nachweislich Nachwuchs eine genauere Kontrolle war hier auf Grund des geringen Alters der Jungtiere jedoch noch nicht möglich. So drücken wir nun die Daumen, dass die Kleinen schnell groß und kräftig werden und dann in Freiheit entlassen ihren passenden Lebensraum entdecken. Nach dem erfreulichen Projektstart im letzten Jahr folgt damit hoffentlich eine erfolgreiche Fortsetzung!
Martha verläßt das Gehege
Die Jungtiere Laura, Luise, Lara, Ludwig, Lothar, Mia, Mona, Max und Moritz der beiden Fähen in den Eingewöhnungsgehegen entwickelten sich alle zu gesunden und munteren Nerzen. Somit konnte die Mutterfamilie L Ende August 2011 aus ihrem Gehege entlassen werden. Familie M folgte eine Woche später Anfang September 2011.
Um die Familienauflösung beobachten zu können, wurden von diesen beiden Familien jeweils die Mutterfähen sowie drei ihrer Jungtiere (2,1 und 1,2) von Dr. Heike Weber vom Tierpark Nordhorn mit Senderimplantaten markiert. Zum Teil wurden wegen des im Vergleich mit den ausgewachsenen Tieren noch etwas geringeren Körpergewichts und -größe (v. a. der Jungfähen) kleinere Sender verwendet. Die Ergebnisse in diesem Jahr sind trotz der noch relativ kurzen Untersuchungszeit wieder äußerst spannend!
Kurz nach der Freilassung waren die Tiere noch sehr neugierig
Die Jungtiere der Mutterfamilien waren bei ihrer Freilassung etwa zehn Wochen alt und befanden sich damit nach Literaturangaben (STUBBE 1993 im Handbuch der Säugetiere Europas) am Anfang des Prozesses zum Selbständigwerden. Beide Mutterfamilien blieben nach ihrer Freilassung zunächst noch im Familienverband und lösten sich erst nach und nach auf.
Bei Mutterfamilie L startete die Familienauflösung (Betrachtung der sendermarkierten Tiere) in der zwölften Lebenswoche der Jungtiere. Als erstes verließ Jungfähe Luise im Alter von 79 Tagen den Familienverband, am längsten konnte Jungrüde Ludwig (bis zum Alter von 90 Tagen) im Aktionsraum der Mutterfähe geortet werden. Ludwig unternahm im Laufe der Zeit zunehmend allein Streifzüge, die er immer weiter ausweitete. Am 17.09.2011 erkundete er das Umfeld des Geheges Dreckmoor, aus dem Mutterfähe Martha mit ihren Jungtieren entlassen worden war. Obwohl sich Martha und Ludwig im gleichen begrenzten Gebiet aufhielten und aktiv waren, ließen sich in den ersten vier Stunden keine Interaktionen vernehmen.
Die Familienauflösung bei Martha und ihren Jungtieren startete erst in der 17. Woche nach der Geburt der Jungtiere (sendermarkierte Tiere). Hier löste sich die sendermarkierte Jungfähe Mona in derselben Nacht wie einer ihrer Brüder (Max) aus dem Familienverband. Jungrüde Moritz konnte Ende der 20. Lebenswoche nicht mehr im Streifgebiet seiner Mutter geortet werden. Mutterfähe Martha hielt sich in Gehegenähe, hauptsächlich im Uferbereich des Steinhuder Meers auf und verweilte ab Anfang Dezember in einem kleinen Gebiet. Nur selten können noch längere Ausflüge beobachtet werden.
Neben diesen beiden Mutterfamilien wurden im Spätsommer/Herbst diesen Jahres 18 weitere Jungtiere (11,7) im Projektgebiet entlassen. Davon waren wiederum zwei Tiere, Queenie und Quentin mit einem Sender versehen worden.
Fähe Queenie starb bereits in der Nacht bzw. am Morgen nach der Freilassung (24.10.2011) und wurde versteckt in untypischem Habitat in der Nähe eines Wildwechsels mit einer Schädelfraktur aufgefunden.
Rüde Quentin ist hingegen immer noch fidel und liefert uns spannende Einblicke in sein Nerzleben: Nach anfänglichem Aufenthalt und Rückkehr in Gehegenähe hielt er sich nach ein paar Tagen zu den Ortungszeitpunkten fast ausschließlich am Ufer des Steinhuder Meeres, in Nachbarschaft der sich etwa drei Kilometer von Gehege entfernt angesiedelten Fähe Lotta auf. Die Aufenthaltsorte beider Tiere überlappten sich. Anfang Dezember konnten sowohl Lotta als auch Quentin nicht mehr in ihrem ursprünglichen Gebiet geortet werden, dafür jedoch beide zwei Tage später etwa zwei Kilometer südöstlich nur wenige Meter voneinander entfernt am Ufer des Hagenburger Kanals!
Im vergangenen Jahr 2011 wurden, wie bereits in der letzten Ausgabe der NerzNews von uns berichtet, von Ende August bis Mitte Oktober etwa 30 Europäische Nerze im Projektgebiet am Steinhuder Meer entlassen. Darunter befanden sich die beiden Mutterfähen Lotta und Martha mit ihren Jungtieren sowie die beiden selbständigen Geschwister Queenie und Quentin. Von diesen Tieren konnten zum Zeitpunkt des letzten Berichts noch die beiden Mutterfähen sowie Quentin mit Hilfe der implantierten Sender regelmäßig geortet werden.
Die Fähe Martha hielt sich zu dem Zeitpunkt in der Nähe des Eingewöhnungsgeheges hauptsächlich im Uferbereich des Steinhuder Meeres auf. Dieses Gebiet nutzte sie auch noch in der Folgezeit, bevor sie schließlich entlang des Meerbachs abwanderte. Dort wurde sie immer weiter in Richtung Westen geortet, bis sie den Ortskern von Rehburg erreichte. Hier hielt sie sich für wenige Tage im anthropogen geprägten, mit befestigtem Untergrund und Rohrdurchlässen durchsetzten Bachabschnitt auf, bevor sie wieder ein Stück nach Osten in Richtung Steinhuder Meer zurücklief. An jener Stelle, einem sehr naturnahen Bereich des Meerbachs, konnte sie daraufhin bis zum vermutlichen Ausfall der Senderbatterien im Frühjahr 2012 geortet werden. Spannend ist zudem die Beobachtung eines Fotografen, der nach Marthas Abwanderung am Meerbach im Bereich des Rundweges in Nähe des Ufers zweimal einen Nerz beobachten und fotografieren konnte.
Lebensraum von Quentin und Lotta
Lotta und Quentin, die im vergangenen Jahr zeitlich und örtlich getrennt voneinander freigelassen wurden, haben sich wie bereits berichtet im Oktober 2011 am westlichen Rand des Hagenburger Moores aufgehalten. Gegen Ende des Jahres sind sie dann beide an den Hagenburger Kanal umgezogen. Über den gesamten Winter hinweg wurden die beiden Tiere regelmäßig in diesem Bereich geortet. Dabei konnten sie sowohl zusammen in unmittelbarer Nähe, als auch weit voneinander entfernt lokalisiert werden. Vor allem der Rüde Quentin durchstreifte häufig allein den weitläufigen Erlenbruchwald des Hagenburger Kanals.
Über die Fotofalle war im März ein Nachweis möglich
Erfreulicherweise ließ sich auch für das 2. Ansiedlungsjahr feststellen, dass sich die Tiere gut im Gebiet zurechtfanden und dass ausreichend benötigte Ressourcen zur Verfügung standen. Lediglich ein Nerz wurde tot aufgefunden. Alle unter Beobachtung stehenden Tiere kamen zudem wiederum gut über den Winter und schienen, zu schließen aus den gelegentlichen Sichtbeobachtungen, gesund und fit zu sein.
Leider gelang bislang noch kein sicherer Nachweis von in Freiheit geborenen Jungtieren, allerdings war es im Zeitraum vor Redaktionsschluss auch noch recht früh für eine Erfolgskontrolle der in 2012 geborenen Jungtiere. Die verschiedenen Sichtbeobachtungen und Fotos belegen jedoch die Anwesenheit von freilebenden Fähen und Rüden in verschiedenen Bereichen des Gebietes, was darauf hoffen lässt, schon bald eine Familiengruppe im Einzugsbereich der Fotofallen zu "erwischen".
In den nächsten Wochen werden hauptsächlich bereits selbständige Geschwistergruppen im Anschluss an das Training in den Auswilderungsgehegen angesiedelt. Dabei steht die Frage der Nutzungsmöglichkeit der ausgedehnten, östlich an das Steinhuder Meer anschließenden Hochmoorbereiche im Fokus der begleitenden Untersuchungen.
Jungnerze
Im vergangenen Jahr 2012 - dem 3. Jahr des Projektes - konnten 21 Euro-päische Nerze aus dem EEP-Zuchtprogramm am Steinhuder Meer freige-lassen werden. Die 21 Tiere stammen von sechs verschieden Mutterfähen und wurden alle im Frühsommer 2012 geboren.
Zehn der entlassenen Jungtiere wurden auch im dritten Projektjahr durch Dr. Heike Weber, Tierpark Nordhorn, mit Implantatsendern markiert, um unter anderem das Ansiedlungsverhalten, das Zurechtkommen der Tiere im Gebiet sowie die Nutzung verschiedener Strukturen und Aktionsraumgrö-ßen beobachten und ermitteln zu können. Alle Projekttiere wurden außer-dem wiederum per Injektion mit Microchips (Transpondern) markiert, die eine eindeutige Identifizierung ermöglichen.
Aus der Kiste in die Freiheit
Leider hatten wir im Jahr 2012 Probleme mit der Telemetrietechnik. Zwei der zehn Sender fielen nachweislich im Zeitraum zwischen Be-senderung und Freilassung aus, von denen nur einer mit einem starken Magneten durch die Bauchdecke des Tieres wieder aktiviert werden konnte. Der zweite Sender soll im Frühjahr ausgetauscht werden, wenn die Witterungsbedingungen wieder so gut sind, dass diese den Nerz mit Eingriff (fehlendes Fell an der Implantations-Stelle) nicht beeinträch-tigen. Von der Untersuchung des Senders durch den Hersteller erhoffen wir uns eine Klärung des Problems. Ein anderer Sender begann nur wenigen Wochen nach Freilassung des Tieres, ein Dauersignal zu pro-duzieren, bei dem keine Identifizierung und keine gesicherten Ab-standseinschätzungen mehr möglich waren. Bei weiteren Sendern war offenbar die Frequenz nicht sauber eingestellt, so dass sie mit einem unserer Empfangsgeräte nicht, bzw. nur sehr schwer aus kurzer Distanz geortet werden konnte. Ein Einsenden der Empfänger zur Haupt-telemetriezeit war auf Grund des Dauereinsatzes nicht möglich.
Die sendermarkierten Nerze Tina, Theodor und Trixie wurden mit ihren Schwestern Tanja und Theresa Mitte August am Ostufer des Steinhuder Meeres freigelassen: Ihnen folgte der ebenfalls besenderte Viererwurf V (Valerie, Viktor, Viola, Valentin) Mitte Oktober. Den ausge-prägten Schilf- bzw. Bruchwaldbereichen schließen sich weite Hoch-moorflächen an, deren Nutzung durch Europäische Nerze noch unklar ist. Wasser und Versteckmöglichkeiten sind nach jetzigem Kenntnisstand ausreichend vorhanden, es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit das verfügbare Nahrungsangebot dort ausreicht.
Leider konnten die meisten der am Ostturm angesiedelten Tiere nur über sehr wenige Tage geortet werden, allein Rüde Theodor wurde regelmäßig über zwei Wochen lokalisiert, bevor er vermutlich von einem Beutegreifer getötet wurde.
Viktors Blick in den neuen Lebensraum
Ärgerlich im Verlauf des dritten Projektjahres am Steinhuder Meer waren die beschriebenen Probleme mit der Technik, aus der die stets bohrende, unlösbare Frage hervorgeht, ob im Jahr 2012 wirklich so viele der sendermarkierten Projekttiere abgewandert sind oder ob weitere Sender dieser Charge nach der Freilassung der Nerze ebenfalls ausgefallen sind. Der magnetische An-/Ausschaltmechanismus der Sender soll nun verändert werden und so hoffen wir auf ein aussagekräftiges Jahr 2013.
Die in unserem Projekt freigelassenen Europäischen Nerze werden mit einem Namen mit Anfangsbuchstaben in alphabetischer Reihenfolge benannt; zusammen angesiedelte Geschwister, Paare oder Familien bekommen dabei denselben Anfangsbuchstaben. In diesem vierten Projektjahr ist mit dem ersten angesiedelten Nerz Zorro das Alphabet erschöpft; und so ist schön zu sehen, dass bereits mehr als 26 einzelne Ansiedlungen stattgefunden haben mit bis dato insgesamt 65 Individuen!
Meerbach |
wiedervernässter Moorbereich |
Aktuell gibt es einen wichtigen Hinweis auf das langfristige Zurechtkommen der Tiere im Gebiet, über den wir uns sehr gefreut haben: 2013 konnten wir ein automatisches Transponderlesegerät anschaffen, dass in eine Schlafbox eingebaut die Transponder der Nerze abliest, die diese ihnen bekannte Box belaufen. Am 10.09. war es soweit: Fähe Rita, die ohne Sender, jedoch wie alle Projekttiere mit einem Transponder versehen im Oktober 2011 freigelassen wurde, wurde am Meerbach westlich des Sees registriert. Rita besuchte die Box zweimal an einem Tag, zunächst in der Nacht um 01:42 Uhr sowie am folgenden Nachmittag um 14:43 Uhr. Die die Box überwachende Fotofalle machte beim ersten Besuch ein Foto der offenbar völlig gesunden und gut ernährten Fähe. Beim zweiten Besuch war die Fähe scheinbar so flink, dass sie die Auslöseverzögerung der Fotofalle unterbot auf dieser war nur ein leeres Foto ohne Tier gespeichert - vielleicht u. a. auch ein weiterer Hinweis auf die beschränkte Eignung von Fotofallen zum Nachweis von Nerzen im Gelände. Am Südufer des Steinhuder Meeres aufgestellt, hatte das Gerät erneut Erfolg: Am 03.10. wurde eine Fähe registriert, die fast vier Wochen zuvor in ca. 550 m Luftlinienentfernung abseits vom Gehege freigelassen wurde.
Ansiedlungen 2013 |
In 2013 wurden bislang 17 aus dem Bestand von EuroNerz e.V. sowie aus der Wildtier- und Artenschutzstation Sachsenhagen e.V. stammende Nerze angesiedelt. Drei dieser Tiere trugen wieder einen Implantatsender, um ihr Verhalten nach der Ansiedlung verfolgen zu können. Rüde Zorro wurde am 21. August aus dem am Meerbach aufgestellten Adaptionsgehege entlassen. Die ersten sechs Tage hielt er sich in einem Umkreis von 400 m um das Gehege am Ufer des Meerbaches auf. Das im Gehege weiterhin zur Verfügung gestellte Futter nutzte er dabei die ersten Tage unregelmäßig. Häufig wurde der sowohl tags als auch nachts aktive Rüde an drei verschiedenen Ruheplätzen angetroffen. Am siebten Tag lief er ca. drei Kilometer in westliche Richtung bevor er an einem Wehr für zehn Stunden eine Pause einlegte. Dort verlor sich das Signal und Zorro konnte bislang nicht wieder gefunden werden. Inwieweit die Abwanderung mit der später registrierten Fähe Rita (s. o.) oder anderen etablierten Nerzen vielleicht ein weiterer Rüde zusammenhängt kann leider nicht abgeleitet werden. Ein Zusammentreffen wurde während der telemetrierten Zeit (6:00-22:00 Uhr) nicht beobachtet.
Zorros mit einem Sender markierte Schwester Amissi wurde Mitte September direkt aus dem am Ostufer des Steinhuder Meeres aufgestellten Gehege entlassen. Sie bewegte sich danach am Ufer des Sees entlang, zunächst bis ans relativ stark genutzte Nordufer. Dort verläuft der Rundweg um das Steinhuder Meer nah am Seeufer, zudem befinden sich dort diverse Segelclubs, Campingplätze und Imbissbuden sowie ein Surf- und Badestrand. Zwischen den genutzten Uferrändern liegen jedoch immer wieder größere, naturnahe Schilfbereiche und z. T. Bruchwälder, die scheinbar für die Tiere zumindest kurzfristig günstige Lebensbedingungen bieten. An selber Stelle hielten sich gegen Ende des ersten Projektjahres im Frühjahr 2011 auch die Rüden Gerd und Ingo auf. Fähe Amissi blieb in verschiedenen Schilfinseln über ca. eine Woche und lief anschließend weiter bis ans Südwestufer, wo sie sich seitdem in einem Bruchwald aufhält. Die Entfernung vom Ansiedlungsort bis zum aktuellen Aufenthaltsort beträgt entlang der Uferlinie 12 km, mit den per Radiotelemetrie registrierten Abstechern ist der tatsächliche Laufweg des Tieres aber um ein vielfaches länger. Das dritte sendermarkierte Geschwistertier, Fähe Carla, wurde Ende September ebenfalls aus dem Gehege am Ostufer des Sees entlassen. Sie lief in nordöstliche Richtung und hält sich aktuell in einem wiedervernässten Bereich des Toten Moores auf. Dies ist ein besonders erfreuliches Ergebnis, denn bislang besetzte keiner der sendermarkierten Nerze eine renaturierte Hochmoorfläche, so dass über die Eignung dieses Biotoptypes als Nerzlebensraum am Steinhuder Meer bislang nur Spekulationen möglich waren. Wir hoffen, dass Carla uns diesbezüglich die offenen Fragen beantworten wird.
Die Wiederansiedlung von Nerzen ist kein einfaches Thema und wichtige, den Projektablauf bestimmende Informationen sind kostbar. Deswegen trafen sich Vertreter der Ökologischen Schutzstation Steinhuder Meer (ÖSSM e. V.) und Wildtier- und Artenschutzstation Sachsenhagen (WASS e.V.) in
Tallinn, Estland, mit dem dortigen Projektleiter Dr. Tiit Maran zu einem 4-tägigen Erfahrungsaustausch. Tiit Maran führt nicht nur das Zuchtbuch innerhalb des Europäischen Erhaltungszuchtprogrammes EEP für den Europäischen Nerz, sondern leitet auch die Erhaltungszucht im Tallinner Zoo sowie das Wiederansiedlungsprojekt auf der Insel Hiiumaa.
Nach einer Besichtigung der sich im Erweiterungsumbau befindlichen Zuchtanlage, fuhren Dr. Florian Brandes, Anna-Lena Brandes (WASS e.V.), Eva Lüers und Thomas Brandt (ÖSSM e.V.) mit Tiit Maran auf die Insel, um das dortige Projektgebiet in Augenschein zu nehmen. Spannend war es, die dortigen Lebensräume der wieder angesiedelten Nerze zu sehen und Erfahrungen mit der telemetrischen Datenerhebung auszutauschen.